Ursula Koller

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Der Wocheneinkauf #ImSupermarkt

Die Situation ist immer dieselbe egal wo man größere Einkäufe tätigt, Ärger an der Kassa ist vorprogrammiert. Zum einen ist in großen Supermärkten immer eine Kassa zu wenig geöffnet. Die Schlange wird länger und länger, die Menschen immer ungehaltener. Das Supermarktpersonal hält sich gut versteckt, bis ein ungeduldiger Mensch nach einer weiteren Kassenöffnung ruft. Dann beginnt das Taktieren: soll man noch die Schlange wechseln, oder doch lieber in dieser ausharren? Egal welche Entscheidung man trifft, es ist garantiert die falsche. Endlich rückt man seinem Ziel näher, die Person unmittelbar vor einem legt unzählige Einzelartikel aus dem großen Einkaufswagen auf das Förderband und öffnet dann noch die mitgebrachten Taschen, um noch zusätzliche Waren hervorzukramen und aufs Band zu befördern.

Dann beginnt das Spiel des Kassiers,  sie (oder er) beginnt in einem atemberaubenden Tempo die Artikel über den Barcode Scanner zu ziehen, ich denke, die werden nach durchgezogenen Artikeln und Geschwindigkeit bezahlt. Am Ende des Bandes mit einer kleinen Auffangform, in Relation zur Masse der eingekauften Artikel gesehen, beginnen sich die Waren übereinander zu stapeln. Der Kassier oder In hat seine Arbeit getan, blickt den Kunden erwartungsvoll an und bevor man noch anfangen kann, seine Einkäufe zu verstauen kommt die Frage: "Kundenkarte?" Man beginnt hektisch nach eben dieser Kundenkarte zu suchen, überreicht diese dem Kassier und versucht gleichzeitig, seine Einkäufe zu verstauen und wird schon mit der nächsten Aufforderung konfrontiert: "Macht §$% €".

Der Kunde versucht gleichzeitig, die Kundenkarte ins Portemonnaie zu stecken, seine Einkäufe unter Kontrolle zu bekommen, also so schnell wie möglich die Waren in die mitgebrachten Einkaufstüten zu verstauen oder rasch zurück in den Einkaufswagen zu werfen, um die Bahn für den nächsten Kunden frei zu machen, und nach seinem Geld zu kramen.  In der Zwischenzeit sitzt der Kassier oder In hochaufgerichtet auf seinem oder ihren Drehstuhl und beobachtet ungeduldig das hektische Treiben des gestressten Käufers vor sich, hält die Hand auf, in Erwartung des raschen Geschäftsabschlusses. Nun nehmen wir an der Kunde hat den Betrag nicht genau zur Hand, was in 99% der Fälle zutrifft, und bezahlt mit einem 100 € Schein, der Kassier oder In tippt den Betrag flink in die hochmoderne Kassa ein und erhält sofort die Summe, die zu retournieren ist auf das Display gespielt, nimmt mit geübten Fingern den Betrag aus der perfekt sortierten Kassenlade und wirft Scheine, Münzen und Rechnung in die Hand des Kunden vor sich. Der versucht, das Geld wieder geordnet in seine Geldbörse zu schlichten, die Rechnung, wenn er sie aufheben möchte, in das für Rechnungen vorgesehene Fach zu stopfen. Davon die Rechnung zu überprüfen reden wir gar nicht, dafür ist wirklich keine Zeit. Nun kommt noch die krönende Frage zum Abschluss "Sammeln Sie die Pickerln?" Der Kunde schwitzt ohnedies schon und weiß nicht wohin in der Hochgeschwindigkeit mit Ware, Wechselgeld, Kundenkarte, Rechnung und dann noch Pickerln?

Während Kunde 1 noch mit all dem kämpft, hat die Kassiererin mit ihm bereits abgeschlossen, denn der nächste Kunde wartet schon. Sie widmet sich nun mit derselben Routine den nächsten Einkäufen. Kunde 2 war aber noch nicht fertig mit dem Auflegen der Waren, weil sein Vordermann noch mit all dem zu kämpfen hat. Die Kassiererin legt wiederum in einer Hochgeschwindigkeit los, dass einem beim Zuschauen schwindlig wird, und beginnt, da ja das Auffangbecken noch mit den Waren des Vordermanns belegt ist, die säuberlich geschlichteten Waren von Kunde 2 kunterbunt vor Ihrem Kassenfeld aufzustapeln, um sie dann, wenn der Vordermann endlich fertig ist, mit einem Schwung und ohne die penible Ordnung, die Kunde 2 beim Auflegen walten hat lassen, zu beachten, eben in jenes freigewordenene Auffangbecken zu befördern.

Kunde 2 - das bin ich. Ich kämpfe mich zu meinen Waren in das Auffangbecken nach vorne, versuche schweres (wie Flaschen) von heiklem(wie Eier) zu trennen und in meinen großen blauen Sack eines berühmten Möbelherstellers zu stopfen. Nun schaffe ich es halbwegs mit der Geschwindigkeit der in kürzesten Abständen einfliegenden Waren mitzuhalten und schaffe es beinahe gleichzeitig mit dem Ende meiner Einkäufe, die vom Band eintrudeln, meinen Sack eingeräumt zu haben. Je nach Supermarkt habe ich die richtige Kundenkarte zur Hand, krame sie in Höchstgeschwindigkeit aus dem dafür vorgesehenen Fach meiner Geldtasche, überreiche sie der Dame/dem Herrn an der Kassa, stecke sie in ebensolcher Geschwindigkeit wieder in das Fach zurück, um schon in ein gleichgültiges und zugleich vorwurfsvolles Gesicht zu sehen - vor lauter Konzentration, alles schnell zu machen, habe ich überhört, dass mir bereits die zu bezahlende Summe genannt wurde. Ich habe keine Chance, die Rechnung zu überprüfen, ich gehe hier vom Vertrauensprinzip aus und so bekunde ich, mit meiner Bankomatkarte bezahlen zu wollen. Mit dieser Aussage ziehe ich mir somit den Unmut meines bereits in den Startlöchern scharrenden Nachfolgers zu. Bankomatzahlungen dauern vermeintlich länger. Also haste ich nach vorne, die Gänge sind auch so eng gebaut, dass selbst ein schlanker Mensch wie ich damit kämpft am eigenen Einkaufswagen vorbei zum Eingabegerät zu gelangen, gebe alles gewünschte ein und warte bis die Zahlung erfolgt ist.

In diesen Situationen denke ich neidvoll an Szenen aus amerikanischen Filmen, wie fleißige und flotte Helferleins am Ende des  Bandes bereit stehen, um die Einkäufe zu verstauen und auch noch die prall gefüllten Säcke heil zum Auto des Käufers zu balancieren. Aber dem ist hierzulande nicht so. Wie dem auch sei, ich habe es geschafft, ich bin fertig - ich darf hier endlich raus, balanciere mein extrem schweres - und es ist immer schwer, da ich ja maximal einmal pro Woche diesen Wahnsinn ertrage - blaues Sackerl auf einer Schulter, schiebe den Einkaufswagen ordnungsgemäß in die Schlange zu den anderen Einkaufswagen und versuche mit der einen freien Hand die Kette in den Schlitz des Vorderwagens zu stecken und die Münze aus dem Schlitz zu ziehen. Nun habe ich meine Geldbörse bereits wieder in meine Handtasche befördert und halte in der einen Hand diese einzelne Münze, mit der anderen versuche ich verzweifelt meinen Autoschlüssel aus der Handtasche zu kramen. Und dann - ich habe es geschafft! Mein Wocheneinkauf ist im Auto verstaut - und bis nächste Woche Freitag habe ich Ruhe, bevor das ganze Spiel wieder von vorne losgeht.

Dann kam die Ausnahmesituation #Corona im Jahr 2020. Derselbe Supermarkt - völlig andere Bedingungen. Auf einmal hatte jeder Zeit, man hielt Abstand, war höflich zueinander. Selbst die von Plexiglaswänden geschützten KassiererInnen waren freundlich und geduldig. Sie warteten bis Kunde 1 alle Waren auf das Förderband gelegt hat, gibt diesem Zeit, sich zu sammeln und ans Ende des Auffangbeckens zu stellen und auf seine durch den Barcode Scanner gezogenen Waren langsam und sacht in Empfang zu nehmen. Er hat Zeit, die Waren in seine Einkaufstüten zu verstauen und erst dann wird er aufgefordert, seinen Einkauf zu bezahlen, möglichst bargeldlos. Was vorher zu Unmutsäußerungen des nächsten Kunden führte, weil siehe oben zu lange dauert, ist jetzt eine Geste der Rücksicht. Erst als Kunde 1 mit allem fertig ist und sich in sichere Entfernung begeben hat beginnt Kunde 2 die Waren aufzulegen und so weiter. Was für ein herrliches Einkaufserlebnis - ich bin selig und gehe völlig entspannt aus dem Supermarkt.

Nach der Ausnahmesituation #Corona - gestern, also noch in der Krisensituation, aber mit bereits gelockerten Bedingungen war von Rücksichtnahme und Abstandhalten keine Rede mehr. In diesem Fall war ich Kunde 3, weil Kunde 1 ein Problem hatte, das die Kassiererin von ihrem Platz fortgerissen hatte, was ich erst bemerkte, als ich bereits meinen ganzen Wocheneinkauf auf das Band gelegt hatte. Nach geraumer Zeit wagte ich dann Kunde 2 vor mir zu fragen, was denn das Problem sei. "Schau ich aus als würde mich das interessieren" wurde ich von einem jungen Mädchen angeschnauzt, die sich dann noch darin erging, wie schrecklich es ist, in einem Supermarkt in diesem Bezirk einzukaufen. Ihr Vater - oder ältlicher Liebhaber - mischte sich dann auch noch ein und schnauzte mich noch mehr nieder, dass ich nicht rechnen könne. Großes Fragezeichen bei mir - was meint er damit? Ahso er meint, nicht messen könne … naja die deutsche Sprache ist nicht jedermanns Sache. Er war der Meinung, dass ich seiner Tochter - oder jugendlichen Liebhaberin - zu nahe getreten sei. Und das obwohl sich ein ganzer Einkaufswagen zwischen uns befand. Wer kann da nicht rechnen, äh messen.

Quintessenz - es gab einen kurzen Moment der Hoffnung, dass wöchentliche Einkäufe im Supermarkt zu einer Customer Experience werden könnten. Doch die Hoffnung war nur von kurzer Dauer - von einer zweimonatigen von Höflichkeit und Rücksichtnahme geprägten Einkaufszeit sind wir wieder in der Steinzeit des wöchentlichen Lebensmitteleinkaufs gelandet … schade, eigentlich.